40 Malerjahre auf der Insel haben mich zu meinem Thema gebracht, das heute in vielen Abwandlungen ausgeführt meine Malerei ausmacht.
In den ersten Jahren, nachdem ich mein Haus gebaut hatte, eroberte ich durch Zeichnungen vor der Natur die vielgestaltige Formenwelt von Elba, den Blick schon sehr auf fein strukturierte Details gerichtet. Die Strände waren eine wahre Fundgrube – ein Kosmos aus Kombinationen – man musste nur hinsehen und sie in die entsprechende Ordnung bringen. Ich fand dass die Welt aus lauter Details besteht, die das Große Ganze schon in sich tragen.
Das vom Meer umschlossene Stück Erde, auf dem ich nun richtig lebte, der eingeschränkte Bewegungsradius, die Zurückgezogenheit, ja fast Isoliertheit in den 60er und 70er Jahren lenkten meine Aufmerksamkeit auf das vorhandene, ungestaltete naturhafte , und das war mein Material, das ich immer mehr in meine Arbeit integrierte.
Diese Natur wurde mein Lehrer, und ich begrüßte diese Lehre: war ich doch bereit, von Neuem zu beginnen.
Da ich Maler bleiben wollte, habe ich organische Geflechte und Mineralien nicht stofflich in meine Bilder installiert, sondern sie als Ausgangsformen schabloniert oder als Abdruckstücke verwendet. Es war ein fortschreitender Prozess, von der vorgefundenen Form ausgehend über die ganze Bildfläche weiter fortzumalen, fast spielerisch, ohne vorgefasste Idee, aber konzentriert die Arbeit voranzutreiben. Dieses Geschehen ist ein sehr glückhaftes, da es mir auch Geborgenheit und Selbstvertrauen gab, und ich hatte gar keinen Zweifel, dass mein Treiben gut und berechtigt war.
Das Endergebnis als Ziel interessierte mich nur wenig, der Vorgang selbst hatte mich ganz im Griff. Was sich an Einfällen während der Arbeit ergab konnte ich gleich umsetzen, auf die großen Ideen ließ ich mich gar nicht ein. Ich entdeckte, dass sich während des Malens eine Menge Ideen als jeweilige Antwort auf mein Tun einstellten, und ich ging mit dieser Art Dialog solange weiter, bis der lebendige Fluss abbrach und ich spürte, dass ich die Arbeit an dem Bild für den Moment ruhen lassen musste. Da es viele vorbereitete Bildträger gab, konnte ich an einer anderen Tafel weitermachen und den Energieschub von der letzten Arbeit mit hinübernehmen, musste also nicht immer neu erfinden. Ich gewöhnte mich daran, mehrere Bilder zugleich in Arbeit zu haben, das verhindert ein zu langes malen an einem Bild, was zu ständigen Übermalungen führt, zu einem Massengrab an ungelösten Zuständen, einem fest verschnürtem Malertagebuch von dem nur noch der Umschlag existiert.
Ich habe eine Reihe von Schinken aus meiner vor-Elba-Zeit – meistens ertrinken sie in Öl, haben keine Transparenz und kein Licht mehr. Ich bin fürs offene Tagebuch, und in meinem Atelier stehen Arbeiten, die ich als Zustände bezeichnen würde – ungelöst erschienen sie mir schon damals, als sie entstanden. Ich habe sie so gelassen, eben so gut ich konnte, und sie strahlen und sind in ihrer Offenheit eine ständig neue Quelle der Inspiration. Da meine Bilder einen transparenten, lasierenden fast aquarellartigen Farbauftrag haben, lege ich großen Wert auf ganz helle Gründe und Temperauntermalungen. Das tut meinen Farben sehr gut: sie bekommen das Licht aus der Tiefe, die deckenden formgestalterischen Aufmalungen schweben vor dem Betrachter und bewegen sich nach vorne aus der Bildfläche heraus. Es entsteht eine Art Schichtperspektive, die, wenn kühle und warme Töne nebeneinander stehen, auch mal in leichte Bewegung gerät. So ein Bild geht, im wahrsten Sinne des Wortes, auf den Betrachter zu.
Im Laufe der Zeit entdeckte ich neue Möglichkeiten des Bildaufbaus, indem ich chaotisch zu nennende Zwischenzustände erzeugte, die ich im Laufe der Arbeit immer mehr ordnete, durchgestaltete und so, aus einem anregenden Rohling, zu meiner Bildform fand. Da es kaum Verbindungen nach draußen gab: keine Ausstellungen, keine Informationen über Kunst, war ich ganz auf mich angewiesen, und mir war jedes Mittel recht, um mir Mut zu machen, weiterzumalen, und bei dieser Gradwanderung nicht abzurutschen.
Es war anfangs auch nicht einfach, meinen persönlichen Rhythmus zu finden. Da war nicht nur die Malerei – in unserem großen Garten und an den Häusern gab es genug zu tun – und ich musste herausfinden, wann ich für was gut war. Da sich meine rohen Kräfte morgens austoben wollten, war das die Zeit zum Häuser bauen, Bäume fällen, umgraben…
Ab 15 Uhr, leicht angemüdet, wurden meine Sinne für das Feinere wach. Ab da war dann Malzeit. Aus Erfahrung, wusste ich, dass ich morgens, nach der Aktivitätspause der Nacht, nicht ins Atelier gehen durfte, meine zupackende Art tat den Bildern gar nicht gut. Erst nachmittags kam ein kontemplativer Zustand über mich, der mich an vorangegangenes anknüpfen lies und meiner Malerei höchst zuträglich war. Ich war meiner Freiheit und meiner Unabhängigkeit dankbar für dieses Privileg, meine Zeit selbst gestalten zu dürfen.
Meine Bilder haben keine Titel; dadurch hat der Betrachter die Freiheit, unbeeinflusst die Ihm entsprechende Interpretation und Seinen eigenen Platz im Bildgeschehen zu entdecken. So nimmt er Anteil an meiner Arbeit und sorgt für ihr lebendiges Weiterleben.