Fritz Hagl © 2012

FRITZ HAGL Maler 1928 - 2002

EINE GEISTIGE ZEITBESTIMMUNG

Von Klaus Hohlfeld


Lieber Fritz,

Du fragst mich, was ich von Deiner Absicht halte, nach einem Leben des Verzichts auf jegliche Form von publizistischer Selbstdarstellung Deine Bilder zu fotografieren und in einer Art Oeuvre Katalog zusammenzufassen. Ich frage mich nun: was waren Deine Motive und was der Grund dieser Motivation? 1960 bist Du nach Elba gegangen und hast „Dein“ Haus gebaut - fast ohne fremde Hilfe. Kaum war es fertig, da hast Du zwei Gästehäuser gebaut – auf die gleiche Weise. Du wußtest also von Anfang an, daß Du Dich isolieren wolltest in einer Umgebung Deiner Wahl, und Du wußtest, daß Du die „Welt“ einladen würdest, Dein Gast zu sein, nicht umgekehrt. Auf dieser Klarheit Deiner Wahl Bedingungen war dann Dein bewußtes Leben aufgebaut. Diese Entscheidung und Entschiedenheit ist – so denke ich – aber nicht aus individueller Disposition zu verstehen, sondern muß auf dem historischen Hintergrund gesehen werden: unsere Generation, die um 1930 Geborenen, kam aus der Dunkelheit und einem chaotischen „Nirgendwo“. Schlimmer noch: dieses „Nichts“, die grauenhafte Hitlerei, hatte uns nicht nur von allem isoliert und uns alles vorenthalten, sie hatte uns auch grausam befleckt. Dann die Lähmung der Nachkriegsjahre während unserer Adoleszens, der Hunger, der Mangel an geistigem Leben: keine Lehrer. Wie findet man sich da zurecht, wie findet man so zu sich selbst?

Du hast sehr früh und in großem Vertrauen auf Deine Kräfte klar entschieden: durch selbständiges, unbeeinflußtes, kontinuierliches und ruhiges Denken, in den eigenen Grund hineinhorchend und die Welt befragend; in Deinem Fall: das große Panorama einer unendlichen, mittelmeerisch geprägten Natur. Das hast Du unangefochten und ungestört von der lärmenden und immer großartiger aufbebenden Welt der Metropolen getan. Im Angesicht einer „großen“ Natur, vor einem weiten Horizont und der Spiegelungen azurner Räume stand Deine Staffelei auf den Klippen dieser unendlichen Insel, und Du begannst – auf Deine Weise – sie zu vermessen.

Als um 1970 die neuen gesellschaftlichen Ideen und individuellen Heilswege sich überallhin verzweigten, prägten sie auch der Insel ihre Spuren auf.

Wie Haschischrauch lagen jene Utopien über den Diskutierenden und übten ihren Bann aus. Du warst der Fels, um den herum diese wilden Wasser in den Sommern strudelten, ehe sie im Herbst wieder in den Norden abliefen, nicht ohne Opfer zu fordern und ungutes Strandgut zurück zu lassen. Deine Ankerseile hielten. Deine Burg, die aus Deinem Haus, Deinem Garten, Deiner Malerei und dem Willen zu Einfachhheit, Geradheit und Verläßlichkeit gebaut war, widerstand dem Ansturm des Zeitgeistes. Unbeirrbar bist Du bei Dir und Deinen Vorsätzen geblieben und hast dadurch ein bemerkenswertes Beispiel gegen alle Verlockungen, Einreden und Versuchungen der Zeit gesetzt. Dein Ort war und blieb Elba.

Auf den Bildern, die Du maltest, sah man zunehmend nicht nur essentielle Abstraktionen einer reichen morphologischen Naturschau, sondern Manifestationen innerer Zustände und seelischer Befindlichkeiten, die fesselten. Von den Menschen, die Dich besuchten oder zu Gast waren, gab es viele, die nicht nur von Deiner Art, dem Leben gegenüberzutreten, beeindruckt waren, sondern zunehmend auch von diesen Bildern. Durch Verkäufe konntest Du Dein unabhängiges, freies Leben leben; deren Anerkennung und Bewunderung war Dir genug, um Deinen Weg unbeirrt weiterzuverfolgen: für den Maler hieß das, sich nur dem eigenen, nicht dem Gesetz eines „Marktes“ zu unterwerfen; im Kontext zur Natur zu verharren und sich nicht in die eigenen Signets zu verirren. Das alles hast Du in großer Klarheit entschieden und ohne Kompromisse getan. Als Protokoll Deiner Reflexionen liegt ein Oeuvre vor, in dem sich die Mühen des Lebens in Kunst verwandelt haben. Auf den Bildern sind diese Prozesse als unabhängige Formentsprechung sichtbar geworden, die die Sinnenreize einer konkreten landschaftlichen Situation in ein Beispiel für „Natur“ im umfassenden Sinn umprägen. Einer Natur, die nicht von außen angeschaut, sondern von ihrer konstituierenden Macht, ihren erschaffenden Kräften her aufgefaßt ist.

Fritz Hagl mit Möwe bei Calamita
Fritz Hagl mit Möwe bei Calamita.
Diese Kräfte, die im Spiel der Erscheinungen eine so wohltätige und ergreifende Wirkung auf uns ausüben, sind durch malerische Gestaltungsprozesse gebannt, die jenen korrespondieren und jenseits simpler Abbildhaftigkeit die Erschaffung der Natur von innen her zeigen: ihr Werden aus der Form. Und da Einsicht in den Naturzusammenhang sich in der Malerei immer in der Handhabung der Mittel zeigt, also Technik, so findet die altmeisterliche Mischtechnik aus Temperauntermalung und Lasur unter der abschließenden Firnisschicht eine logische und ganz selbständige Fortführung in den Oberflächen dieser Bilder.

Wie unabhängig von aller Zeitgenossenschaft diese malerische Form herausgearbeitet ist, zeigt die Tatsache, daß diese Welt nicht wie von außen modelliert, sondern durch vulkanische Kräfte aus großen Tiefen emporgeschleudert, nicht ins Licht gestellt, sondern aus Licht erschaffen wirkt.

Die Freude, die man beim Anschauen empfindet, ist nicht so sehr die Freude des Auges am Schein, sondern eine Freude des Geistes und der Einsicht in ein Sein, das wahr, mächtig und schön ist.

Es ist völlig einleuchtend, daß Du diesen Weltentwurf nun als Beitrag zur geistigen Zeitbestimmung zusammenfassen und vorlegen willst.

Ich sehe darin weder einen Treuebruch noch ein Abweichen vom Weg; sondern in meinen Augen findet die Struktur Deines Lebens dadurch ihre logische, abschließende Form und was Dich umgetrieben hat – ein gutes Ende.


Ich beglückwünsche Dich von Herzen

Berlin, November 2002 Klaus Hohlfeld (Maler)